„Fake it till you make it“ oder „Ehrlich währt man längsten“?

Blogbeitrag Unternehmesführung

Über 12 Jahren lebte ich in den USA. Arbeitete dort, aber kam auch mehrmals im Jahr nach Deutschland, um Kurse und Coachings zu geben.

Unweigerlich kam die Sprache auf die, wie es vielen schien, gekünstelte Freundlichkeit der Amerikaner. „Du weißt ja nie, ob sie das auch wirklich meinen.“ Oder: „Das merkt man doch sofort, dass die das nicht so ernst meinen, wenn sie dir ins Gesicht lächeln“, „das ist doch total fake“ hieß es immer wieder. Wie ich das aushalten könnte, wurde ich gefragt.

Freundlichkeit, das stimmt, ist in den USA von großer Bedeutung. Und dabei handelt es sich nicht um Höflichkeit, wie wir das kennen, sondern es ist mehr.

Ein kleiner Rückblick auf die Geschichte der USA erklärt auch ganz einfach, warum sich das so entwickelt hat. In der sogenannten Pionierzeit, als europäische Siedler die großen Weiten der heutigen USA vordrangen, war der größte Teil des Landes sehr dünn besiedelt. Es gab daher anfangs (übrigens) auch keine Probleme mit den Ureinwohnern, denn Platz war mehr als genug vorhanden.
Weil man einander brauchte und man nie wusste, wann man den nächsten Menschen treffen würde, der einem helfen kann, musste man miteinander auskommen, überlebenswichtig.

Daher auch die immer noch fast überall geltende Freundlichkeit, vielleicht mit Manhattan als Ausnahme.
Als ich in München studierte, gab es nicht weit von der Uni den besten „Italiener“ der Stadt. Das „Markenzeichen“: Abgrundtiefe Verachtung für die Kunden, wie uns schien. Wir wetteten darauf, wie lange der Ober brauchen würde, bis er uns die Speisekarte brachte, wohl gemerkt, bei fast leerem Restaurant.

Bei der Annahme der Bestellung hattest du immer das Gefühl, du müsstest dich für deine Bestellung entschuldigen. Und wenn es dann ans Zahlen ging, begann die Tortur erst so richtig. Warten, winken, aufstehen, um Tresen gehen, um die Rechnung BITTEN! Nichts. Dann, nach langer Zeit, nachdem der Ober mehrmals verächtlich am Tisch vorbei ging, kam die Rechnung auf den Tisch geflogen.

Unvorstellbar in den USA. Deine Bedienung kommt zu dir an den Tisch und stellt sich vor, mit Vornamen natürlich und … einem freundlichen Lächeln. Kann sie das nicht (man hat ja auch schlechte Tage), dann muss sie sich zusammenreißen und trotzdem lächeln. (Viele hier wissen ja auch, dass auch ein „fakes“ Lächeln bei der lächelnden Person Endorphine freisetzt. 😊

Also, wenn ich ehrlich bin, ich lasse mir lieber mit (fake) Freundlichkeit als aufrichtiger Unfreundlichkeit das Essen bringen. Wie ist das für euch?

Autor: Uwe Franz, kann man ein glückliches Leben führen, ohne Leid. Und wenn ja, wie geht das?